
„In Zukunft Frieden … Feinde von gestern – Partner von morgen“
Im Zuge der Umbrüche in der arabischen Welt stellt sich auch im israelisch-palästinensischen Konflikt die Frage, wie es weitergeht. Fatah und Hamas wollen im September vor den Vereinten Nationen als eigenständiger Staat anerkannt werden. Israel mit Premier Netanjahu zeigt sich nur unter bestimmten Bedingungen bereit, einen solchen Staat anzuerkennen. Können aus Feinden Freunde werden? Unter dem Titel „In Zukunft Frieden … Feinde von gestern – Partner von morgen“ lud die Deutsche Initiative für den Nahen Osten (DINO) am 18. Mai 2011 in das Residenz-Hotel in Köln.
Ein prominent besetztes Podium diskutierte unter Leitung von DINO-Sprecher Manfred Erdenberger das Thema. Die Diskutanten brachten dabei ihre Einschätzungen und Erfahrungen aus verschiedenen Blickwinkeln ein.
Dr. Werner Hoyer, Staatssekretär im Auswärtigen Amt, betonte in seiner Einführung die großen „tektonischen Verschiebungen“, die der ‚arabische Frühling’ ausgelöst habe und deren Bedeutung man jetzt noch gar nicht abschätzen könne. Er rief Israel dazu auf, auf Kairo und Amman zuzugehen. „Warten wäre für Israel die schlechteste aller Optionen“, so Hoyer. „Der Friedensprozess liegt auf Eis. Dieser Zustand muss dringen überwunden werden. Israel solle die Chance nutzen und vor September, wenn die Führung der Palästinenser die Anerkennung eines eigenen Staates vor den Vereinten Nationen beantragen will, aktiv in Verhandlungen einsteigen. Zurückhaltung berge hier mehr Risiken als ein zielgerichtetes Handeln. Den durch Israel koordinierten Siedlungsbau nannte Hoyer „eines der größten Hindernisse für eine Friedenslösung.“
Hoyer lobte ausdrücklich die Arbeit der Deutschen Initiative für den Nahen Osten:
„DINO – die Deutsche Initiative für den Nahen Osten – hat sich als ein Forum etabliert, dessen Stimme im In- und Ausland Gehör findet. Das liegt vor allem an den Menschen, die hinter DINO stehen. Sie alle stellen ihre langjährige Erfahrung und ihre zahlreichen Kontakte in der Region in den Dienst eines verantwortungsvollen und ausgewogenen nahostpolitischen Engagements.
Der gute Ruf von DINO hat aber auch damit zu tun, dass DINO neben den politischen Fragen des Nahostkonflikts stets den Blick der Öffentlichkeit auf die Menschen in der Region und ihre konkrete Lebenssituation richtet. Dafür gilt Ihnen mein Dank und meine Anerkennung.
Der zivilgesellschaftliche Dialog ist elementarer und unverzichtbarer Bestandteil unserer bilateralen Beziehungen mit der Region, besonders mit Israel. Pflege und Ausbau dieses Netzwerks verlangen Einsatz, langen Atem, Realismus und Fingerspitzengefühl. DINO ist hierfür sehr gut aufgestellt und kann wichtige Impulse geben. Ich möchte daher deutlich sagen: Die Bundesregierung steht Ihnen dabei weiterhin gerne beratend zur Seite."
(gesamte Rede von Staatsminister Hoyer)
In seinen Ausführungen beschrieb der israelische Publizist und Historiker Moshe Zimmermann die Problematik der Asymmetrie der beiden Konfliktparteien. Eine Zwei-Staaten-Lösung sei unter dieser Voraussetzung „illusorisch“. Man müsse dafür sorgen, „dass sich die Palästinenser wirtschaftlich sanieren können“, damit diese überhaupt in der Lage seien, mit Israel „zu kooperieren“, so der Historiker. „Was Israel fehlt ist Symmetrie.“ Eine große Gefahr für den Friedensprozess sieht Zimmermann in einer „Re-Religionisierung“ des israelisch-palästinensischen Konfliktes. Sowohl der Staat Israel als auch die Hamas betrieben eine solche und würden so zu einer Verschärfung der Auseinandersetzungen beitragen. Dies sei „eine riesige Hürde“ auf dem Weg zum Frieden. In diesem Zusammenhang nannte Zimmermann die Konstruktion von Identitäten und Feindbildern als Grundlage von Konflikten. Diese könne man wieder abbauen:
„Man muss nur die Diskette im Kopf wechseln.“
Mit Blick auf die deutsche Rolle in der Konfliktvermittlung forderte der Historiker „mehr zu wagen als bisher.“ Deutschland solle sich durch seine Geschichte nicht in ein festgefügtes Rollenbild fügen. Die „Schuld-Rolle“, die durch die Verbrechen an den Juden zustande gekommen sei, hemme Deutschland. „Deutschland kann ein ehrlicher Makler werden“, so Zimmermann.
Prof. Dr. Michael Ziemons von der Katholischen Fachhochschule Köln berichtete über die praktische Arbeit mit Jugendlichen aus dem Konfliktgebiet. 20 Jahre seiner Tätigkeit fasste er mit den Wort zusammen: „I’m still confused, but on a higher level.“ Eine für alle Seiten gewinnbringende Arbeit mit jungen Leuten aus Israel und den Palästinensergebieten sei teilweise frustrierend. „Man hat das Gefühl, die unterschiedlichen Seiten machen das nur uns zu Liebe.“ Da man es auf beiden Seiten mit traumatisierten Menschen zu tun habe, sei es vor allem wichtig, „das Herz anzusprechen, um zu einer Verständigung zu kommen“, so Ziemons.
Der UN-Sportbeauftragte Willi Lemke forderte in der Diskussion ein Ende der aus seiner Sicht schlechten Behandlung der Palästinenser durch den israelischen Staat als Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben der beiden Bevölkerungsgruppen: „Die täglichen Demütigungen der Palästinenser müssen aufhören, sonst erreichen wir keine Augenhöhe.“ Er habe die Hoffnung, dass durch den integrativen Beitrag des Sports ein gesellschaftlicher Druck auf die Politik aufgebaut werden könne. „Auch wenn es nur auf Grassroot-Level ist, will ich, dass Jugendliche zusammenkommen und sich kennen lernen, damit Frieden möglich wird“, so Lemke. Aus Sicht Lemkes spielt gerade Deutschland eine wichtige Rolle bei der Friedensvermittlung, „weil wir auf der palästinensischen und der israelischen Seite Freunde haben.“
Der frühere Oberbürgermeister Kölns, Dr. Norbert Burger, berichtete auf der Podiumsveranstaltung über seine Erfahrungen mit der trilateralen Städtepartnerschaft der Städte Tel Aviv, Bethlehem und Köln. Ein großer Erfolg seien die Treffen bisher leider nicht gewesen, so Burger: „Es gab trilaterale Treffen, aber der Erfolg starb da, wo die Frage ‚Was passiert danach?’ gestellt wurde.“ Hier habe sich leider nichts geändert. Auch wenn sich die Vereinbarung der trilateralen Treffen als schwierig erweise, hält Burger weiterhin an der Idee fest: „Die Ursprungsidee der trilateralen Treffen ist nicht gestorben.“ Für einen Erfolg im Nahen Osten forderte Burger „eine Abkehr vom Siedlungsbau sowie die Anerkennung des Existenzrechtes Israels. Ein solches braucht auch der palästinensische Staat, und dazu gehört die Anerkennung des Nachbarn Israel.“
Dr. Mitri Raheb, Pfarrer an der evangelisch-lutherischen Weihnachtskirche in Bethlehem, zeigte sich überzeugt davon, dass „die Zeiten, in denen hier die Israelis und da die Palästinenser standen, vorbei“ sind. „Wir müssen eine Lösung finden, die auf der Gleichheit von Palästinensern und Israelis beruht“, so Raheb. Mit Blick auf eine Positionierung Deutschlands im israelisch-palästinensischen Konflikt sagte Raheb: „Wenn man im September gegen die Ausrufung eines palästinensischen Staates ist, verliert man seine Glaubwürdigkeit“, wenn man zugleich eine Zwei-Staaten-Lösung propagiere. Raheb sieht den Erfolg des „arabischen Frühlings“ direkt mit dem Konflikt in dem Land verbunden. Wenn der israelisch-palästinensische Konflikt kein Ende finde, würden „alle Hoffnungen in den Frühling zunichte gemacht“, so Raheb. „Die Besatzungsmacht muss auch den Frühling erblicken, da gib es keinen Verzicht.“
Mit freundlicher Unterstützung der GIZ
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